Wowereit predigt in Bischofskirche über Homosexualität

25 06 2011

Erstmals hat die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz (EKBO) einen Gottesdienst anlässlich der Christopher-Street-Day-Parade in Berlin angeboten.

Bei der Parade demonstrieren jährlich etwa 500.000 Teilnehmer für die Rechte von Lesben und Schwulen. Der Gottesdienst mit etwa 200 Teilnehmern fand am 24. Juni in der Bischofskirche St. Marien in Berlin-Mitte statt. Eingeladen hatten der Kirchenkreis Stadtmitte und der Lesben- und Schwulenverband Deutschlands (LSVD). Dem Veranstalter zufolge lud der Gottesdienst dazu ein, darüber nachzudenken, „was es bedeutet, dass wir durch den Geist Gottes alle Gottes Kinder sind – ob schwul, lesbisch, hetero oder sonst wie“. Berlins Regierender Bürgermeister, der Katholik und bekennende Schwule Klaus Wowereit (SPD), forderte in seiner Predigt dazu auf, Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transsexuelle nicht nur zu tolerieren, sondern zu akzeptieren. Zwar lebe man in einer aufgeklärten Gesellschaft mit Demokratie, Grundgesetz und gleichen Rechten für alle. Dennoch sei selbst in einer weltoffenen Stadt wie Berlin noch nicht alles gut. Noch immer gebe es Vertreter wie Altbischof Ulrich Wilckens (Lübeck), die die Auffassung vertreten, dass gelebte Homosexualität der Heiligen Schrift und dem Willen Gottes widerspreche. Wowereit: „Bei allem Verständnis für theologische Streitereien: Man kann auch andere Auslegungen machen.“ Es sei ein gutes Zeichen, dass die EKBO dem „Bündnis gegen Homophobie“ (Bündnis gegen Angst vor Homosexuellen) beigetreten sei. Aufgabe der Kirche sei es, Menschen mit abweichender sexueller Orientierung zu helfen. Dies entspreche zutiefst dem Willen Gottes, so Wowereit. Er verwies dabei auf Johannes 15,12: „Das ist mein Gebot, dass ihr euch untereinander liebt, gleichwie ich euch liebe.“

Superintendent: Sexuelle Identität ist ein Geschenk Gottes

Den zweiten Teil der Predigt hielt der – ebenfalls homosexuelle – Berliner Superintendent Bertold Höcker. Er sagte, jeder Mensch sei geliebt. Die Schwierigkeit sei, dies auch anzunehmen. Die Angst, nicht geliebt zu sein, nenne die Heilige Schrift Sünde. Die Folge dieser Angst sei es, sich anzupassen und klein zu machen oder sich größer als andere zu machen, sich abzugrenzen und moralische Regeln aufzustellen. Höcker: „Leider ist es jedoch so, dass die, die uns verfolgen, genauso geliebt sind wie wir. Auch Bischof Wilckens ist genauso geliebt wie Sie und ich – egal was er sagt.“ Höcker rief dazu auf, die eigene sexuelle Identität als Geschenk Gottes zu begreifen. Wenn diese verantwortlich  gelebt werde, führe dies zu einem intakten Gottesverhältnis. Eine Opferhaltung, bei der man sich als verfolgte Elite fühle, sei zwar gemütlich, aber nicht christlich. Höcker: „Deswegen, gerade für Schwule, Lesben und andere: Schluss mit den Opfern!“ Lesben und Schwule sollten „mutig das Geliebtsein leben – dazu Gottes Segen.“

Gedenken an den „Märtyrertod“ von Lesben und Schwulen

In der Fürbitte des Gottesdienstes wurde um Vergebung gebeten für alle „Fehldeutungen der Heiligen Schrift, die zur Verfolgung und Ermordung von Schwulen und Lesben geführt haben“. Als liturgische Farbe des Gottesdienstes wurde die Farbe Rot gewählt, um des „Märtyrertodes“ von Lesben und Schwulen zu gedenken. Sie hätten „ihr Blut vergossen, für das, wofür sie doch geliebt sind“. Die Kollekte des Gottesdienstes ging je zur Hälfte an den LSVD und das schwule Anti-Gewalt-Projekt „Maneo“. Der Veranstalter kündigte an, dass künftig jedes Jahr am Vorabend des Christopher Street Day ein Gottesdienst gefeiert werden soll. Der Christopher Street Day erinnert an den Aufstand von Homosexuellen gegen eine Polizeirazzia in einer Schwulenbar in der Christopher Street in New York am 28. Juni 1969.  (idea.de)